Presseartikel Taucherkraft am Kraftwerk
Anfang der achtziger Jahre nahmen Störanfälligkeit und Havariefälle in den oftmals mit minimalen Investitionen auf Verschleiß gefahrenen DDR-Kraftwerken rapide zu. Meist dauerte es zu lange, Berufstaucher aus dem Berliner Raum oder sogar von der Ostseeküste hinzuziehen. So geschah es immer öfter, daß versierte Sporttaucher aus den Betriebssportgemeinschaften oder der Gesellschaft für Sport und Technik (GST) mit waghalsigen Reparaturen beauftragt wurden. Ein kleiner Personenkreis erwarb unter erheblichen Risiken ungewöhnliche Spezialkenntnisse. Seitens der DDR-Energierversorger wollte man diesen halblegalen Zustand beenden und regte die Bildung einer Berufstauchergruppe als festangestellte Taucher der Energiewirtschaft an. Diese Tauchergruppe wurde im November 1986 gegründet. Die seinerzeit sechs Taucher waren Betriebsangehörige des VEB Kraftwerk Boxberg und in vielen Kraftwerken im Südteil der heutigen neuen Bundesländer “zu Hause”. Anfänglich arbeitete die Tauchergruppe unter unvorstellbaren technischen Bedingungen, das heißt mit Naßtauchanzügen, selbstgebauter Sprechanlage und ungeeigneten Fahrzeugen. Zwei Jahre mußten die Taucher unter DDR-Verhältnissen warten, ehe der “Devisenantrag” bewilligt war und die ersten Trockentauchanzüge und Vollgesichtsmasken eingesetzt werden konnten.
Der heutige Inhaber und Gründer des Tauchunternehmens Leunert wurde schon 1977 Sporttaucher bei der GST, vervollkommnete seine Taucherkenntnisse als Fallschirmjäger und bestand 1986 seine erste Berufstaucherprüfung vor der Zentralen Taucherkommission beim Seefahrtsamt der DDR.
Karsten Leunert gehört zu den Gründungsmitgliedern der Kraftwerkstauchergruppe. Im Jahre 1990 änderte sich die Lage grundlegend. Die Vereinigte Energiewerke AG (VEAG) gliederte alle zu DDR-Zeiten den Kraftwerken angeschlossenen Nebengewerke zur Privatisierung aus – so auch die Taucher. Im Herbst 1990 waren von der alten Kraftwerkstauchergruppe nur noch zwei Mann übrig – Karsten Leunert und Gerd Wuttke. Karsten Leunert wagte den Sprung in die Selbständigkeit, verlegte das Unternehmen in die Jahnstraße von Weißwasser und investierte mit wachsendem Auftragsvolumen in moderne Technik. Inzwischen sind – mit Ausnahme des “Nostalgie-L60-LKWs” – alle verwendeten Ausrüstungen und Fahrzeuge modernster Art. Das Firmengrundstück wurde erworben, das notwendige Gebäude eigenhändig errichtet… Die Anfänge waren schwer, weil das Kraftwerkstauchen als Auftragsvolumen schrittweise abnahrn. Immer mehr Braunkohlenkraftwerke wurden stillgelegt oder grundlegend überholt. Aber der Firma Leunert gelang es, sich mehr und mehr auf das Talsperren- und Bautauchen; auf Unterwasserbetonieren, Schweißen, Montieren und Sprengen zu spezialisieren. Auch Hochdruckreinigungsarbeiten durch Taucher werden immer öfter nachgefragt. Die Einzugsgebiete der Firma sind heute vor allem die Talsperren, Binnenhäfen und Großbaustellen der vier südlichen neuen Bundesländer und das Land Berlin. Die Firma Leunert vergrößerte sich alljährlich und hat heute 16 festangestellte Taucher, zwei Bürokräfte und den Chef. Der 20. Mitarbeiter ist der Rottweiler Arco, der für etwa 1,5 kg Hundefutter pro Tag das Ressort “Ungebetene Gäste” übernommen hat. Bei Großaufträgen können mit Hilfe freier Taucher bis zu 33 Berufstaucher zum Einsatz gebracht werden. Das Tauchunternehmen Leunert ist Taucherlehrbetrieb und schult zur Zeit 4 Jungtaucher. Die Ausrüstung ist mit eigenem Kranwagen (bis 20 Tonnenmeter), drei Lkws, Koffern und Containern, diversen Hochdruckspülgeräten (300 bis 2400 bar), Pontons bis zu 90 Tonnen Tragfähigkeit, einer Sechs-Mann-Behandlungsdruckkammer mit Medikamentenschleuse und mehreren Booten ungewöhnlich umfangreich. Wenn das Tauchunternehmen Leunert mit seinen Spezial-LKWs anrückt und in Minutenschnelle eine Baustelle einrichtet, greift die Konkurrenz schon mal zur Kamera. Es ist Karsten Leunerts Firmenphilosophie, auf den Baustellen des Binnenlandes durch eigene Kräne, schwere LKWs und perfekt eingerichtete Container ohne Zeitverzug die eigentliche Arbeit beginnen zu können.
Alle zeitraubenden Umräumaktionen und Extratransporte wegen zu kleiner beziehungsweise zu leichter Fahrzeuge entfallen. Ein weiteres Standbein sind UW-Videoaufnahmen, die das Tauchunternehmen Leunert nach Bearbeitung im eigenen Studio an seine Auftraggeber liefern kann. Aus den Videos heraus können selbstverständlich auch Detailfotos ausgedruckt werden. Interessante Aufträge waren für das Tauchunternehmen Leunert Teilleistungen am Potsdamer Platz und am Lehrter Stadtbahnhof in Berlin, aber auch Arbeiten an der Gründung der Bautzener Autobahnbrücke sowie das Erstellen von Gründung und Widerlagern für die Meißener Elbbrücke. Die Firma Leunert ist in der Branche bekannt dafür, auch sehr tiefe Arbeiten sachkundig ausführen zu können. So wurden in Berlin die Start- und Zielschächte von Tunnelvortrieben mit 41 Metern Wasserstand durch Leunerts Taucher betoniert. Ein ganz besonderer Auftrag war die Inspektion der 56 Meter tiefen Schwimmerschächte des Schiffshebewerks Rothensee bei Magdeburg. Da die Arbeitstiefe über 50 Meter lag, war ein Taucherarzt mit vor Ort. Die Firma Leunert arbeitet derzeit als einzige deutsche Firma neben Kollegen aus Italien, Holland und England mit am Lehrter Bahnhof in Berlin. Als falsche Entwicklung bewertet Karsten Leunert den Kostendruck, der Unternehmen zwingt, bei der Erstellung von Angeboten auf die Bereitstellung von Druckkammern zu verzichten – oder diese zur Sicherheit der eigenen Männer unbezahlterweise zu stellen.
Mit einem nicht bezifferbaren Arbeitsaufwand ist es Karsten Leunert innerhalb von etwa acht Jahren gelungen, das Tauchunternehmen Leunert unter die zehn größten Taucherbetriebe der Bundesrepublik zu bringen.
Dies ist ein Auszug aus: Der Profitaucher